„Wir müssen pragmatisch denken.“
Dass ein Film auf einer wahren Begebenheit
basiert irritiert. Soll das bedeuten, dass sich somit der gesamte Plot, mit
oder ohne unlogischen Details, gerechtfertigt, oder dient das nur der
Information? Will man damit einen draufsetzen und alles realistischer wirken
lassen? Niemand wird niemals wissen, wie es in der Realität passiert ist. Was
sollten wir mit einer wahren Begebenheit, die wir nicht kennen, überhaupt
anfangen?
Zwischenstop. Phillippe, ein wohlhabender Mann
zwischen vierzig und fünfzig, ist quergelähmt und auf der Suche nach einem
neuen Pfleger. Heute finden die Vorstellungsgespräche statt, und eine Reihe
ausgebildeter Pfleger sitzt brav im Warteraum. Driss, Immigrant aus Senegal,
kreuzt bei Phillippe auf weil er von ihm eine Unterschrift für seine Arbeitslosengeld-Unterlagen
benötigt. Im Gegensatz zu den artigen perfekt vorbereiteten Kandidaten führt
sich Driss grob und großmäulig auf. Phillippe beschließt zunächst aus
unerklärbaren Gründen, ihm die Möglichkeit zu geben, bei ihm eine Probezeit als
Pfleger zu absolvieren. Driss wird aus seinem alten Leben gerissen und erlebt
das Aschenputtel-Wunder. Weg von dem alten Umfeld, gekennzeichnet durch Gewalt,
Gefängnis, Zeit zwischen Bierdosen auf der Straße, Arbeitslosigkeit und graue
Plattenbauten, und rein in das Luxusleben der Reichen. Doch warum Driss? Er ist
taktlos, laut, macht geschmacklose Witze über Phillippes Behinderung und hat
keine Manieren. Er ist handgreiflich, nicht qualifiziert und war sogar schon im
Gefängnis. Aber er behandelt Phillippe nicht wie einen anderen Menschen. Kein
komischer Blick, keine zitternde Hand, keine Angst. Und an diesem Punkt ist
Phillippe Driss’ Hintergrund egal. Und spätestens als sich Driss rührend um
Phillippe bei einem Phantomschmerzen-Anfall kümmert, zeigt sich dass sich
Phillippes Entscheidung die richtige war.
Die letzte Einstellung scheint, durch das
andere Bildformat, die echten Protagonisten zu zeigen. Ach ja, es handelte sich
schließlich um eine wahre Begebenheit. Die zwei Männer befinden sich auf einer
Terrasse, reden und blicken über das Geländer hinaus in die Ferne. Aus ihrer
außergewöhnlichen Geschichte hat sich ein einzigartiger Film ergeben. Die
letzten Bilder machen mir zwei Dinge klar. Sie erinnern mich daran, dass ich
während des Filmes die Tatsache der wahren Begebenheit vollkommen vergessen
habe. Unter diesen Umständen wird mir klar, dass die Information über die wahre
Begebenheit, zumindest in diesem Fall, überflüssig ist.
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