18 Januar 2012

Ziemlich beste Freunde

(FR, 2011, R: Olivier Nakache, Eric Toledano)


„Wir müssen pragmatisch denken.“

Dass ein Film auf einer wahren Begebenheit basiert irritiert. Soll das bedeuten, dass sich somit der gesamte Plot, mit oder ohne unlogischen Details, gerechtfertigt, oder dient das nur der Information? Will man damit einen draufsetzen und alles realistischer wirken lassen? Niemand wird niemals wissen, wie es in der Realität passiert ist. Was sollten wir mit einer wahren Begebenheit, die wir nicht kennen, überhaupt anfangen?

Zwischenstop. Phillippe, ein wohlhabender Mann zwischen vierzig und fünfzig, ist quergelähmt und auf der Suche nach einem neuen Pfleger. Heute finden die Vorstellungsgespräche statt, und eine Reihe ausgebildeter Pfleger sitzt brav im Warteraum. Driss, Immigrant aus Senegal, kreuzt bei Phillippe auf weil er von ihm eine Unterschrift für seine Arbeitslosengeld-Unterlagen benötigt. Im Gegensatz zu den artigen perfekt vorbereiteten Kandidaten führt sich Driss grob und großmäulig auf. Phillippe beschließt zunächst aus unerklärbaren Gründen, ihm die Möglichkeit zu geben, bei ihm eine Probezeit als Pfleger zu absolvieren. Driss wird aus seinem alten Leben gerissen und erlebt das Aschenputtel-Wunder. Weg von dem alten Umfeld, gekennzeichnet durch Gewalt, Gefängnis, Zeit zwischen Bierdosen auf der Straße, Arbeitslosigkeit und graue Plattenbauten, und rein in das Luxusleben der Reichen. Doch warum Driss? Er ist taktlos, laut, macht geschmacklose Witze über Phillippes Behinderung und hat keine Manieren. Er ist handgreiflich, nicht qualifiziert und war sogar schon im Gefängnis. Aber er behandelt Phillippe nicht wie einen anderen Menschen. Kein komischer Blick, keine zitternde Hand, keine Angst. Und an diesem Punkt ist Phillippe Driss’ Hintergrund egal. Und spätestens als sich Driss rührend um Phillippe bei einem Phantomschmerzen-Anfall kümmert, zeigt sich dass sich Phillippes Entscheidung die richtige war.

Die letzte Einstellung scheint, durch das andere Bildformat, die echten Protagonisten zu zeigen. Ach ja, es handelte sich schließlich um eine wahre Begebenheit. Die zwei Männer befinden sich auf einer Terrasse, reden und blicken über das Geländer hinaus in die Ferne. Aus ihrer außergewöhnlichen Geschichte hat sich ein einzigartiger Film ergeben. Die letzten Bilder machen mir zwei Dinge klar. Sie erinnern mich daran, dass ich während des Filmes die Tatsache der wahren Begebenheit vollkommen vergessen habe. Unter diesen Umständen wird mir klar, dass die Information über die wahre Begebenheit, zumindest in diesem Fall, überflüssig ist. 


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