19 Dezember 2011

Restless

USA, 2011
R: Gus Van Sant 
D: Henry Hopper, Mia Wasikowska, Ryo Kase


Zwei Menschen lernen sich kennen, es folgt die Rosa-Brille-Phase, danach der Absturz, und schliesslich die Auflösung. Genrebezeichungen, vor allem bei Liebesgeschichten, sind oft reduzierend und vereinfachend. Wenn es sich bei einem Film um ein so ausgeschöpftes Genre wie Liebesdramen handelt, erweckt jeder Film dieser Gattung gewisse Erwartungen.
Was könnte Restless bieten um nicht in der Masse unterzugehen oder in Schubladen gesteckt zu werden? Schon die ersten Szenen weisen auf das grosse Thema hin: die Konfrontation mit dem Tod. Die Teenager Annabel und Enoch lernen sich kennen, indem sie sich auf Beerdigungen fremder Menschen begegnen. Dass sie nicht eingeladen sind, ist zunächst nur zwischen den beiden ein Geheimnis, was sie zu Komplizen macht. Diesem Anschlusselement folgt eine zierliche Liebesgeschichte und die Nachricht, dass Annabel wegen Krebs bald sterben wird. Neunzig Minuten lang geht es darum, wie vor allem Enoch den Tod seiner verstorbenen Eltern und den von Annabel verarbeitet. Sie dagegen wirkt so, als ob sie mit dem Urteil schon lange gerechnet hätte. PPP. Die Beziehung zwischen beiden durchlebt einen zeitlichen Druck und erzeugt Spannung durch das Bewusstsein, dass Annabel jeden Moment sterben könnte. Nach und nach zeigt Gus Van Sant, dass Beerdigungen zwar ernst, aber den realen Tod nicht ersetzen können, dass man Gefühle und Betroffenheit nicht üben kann, um im Ernstfall nicht verletzt zu werden.
Erwähnenswert ist auch die charmante Mitteilung und Andeutung von Informationen und Details über die Figuren. Zum Beispiel erwähnt Enoch nebensächlich, nachdem das Grab seiner am gleichen Tag gestorbener Eltern zu sehen ist, dass „Autos sehr gefährlich sind“. Alles was über die Protagonisten nicht gesagt wird erweckt Neugier. Warum zum Beispiel hat Enoch einen imaginären Freund? Hiroshi ist ein japanischer Geist, ein Kamikaze. Eine kuriose Figur, die Enoch mit Fragen und Tatsachen konfrontiert, denen er noch nicht in die Augen sehen will oder traut. Er agiert als Aufklärer von Enochs Gedanken. Das ist hilfreich, denn Enoch ist ein stiller Mensch. Hiroshi ist das fragenstellende Publikum, sein Elternersatz und Enochs Alter Ego.
In Restless wird nicht explizit über Krebs gesprochen. Das zweite grosse Thema,das behandelt wird, ist paradoxerweise kaum der Erwähnung wert. Gewinnt es dadurch an Bedeutung, oder will der Regisseur damit das Thema zur Seite stellen und den Wert, die Betroffenheit, die Wichtigkeit, die wuchtende Bedeutung von Leben und Tod zu nutzen? Der idealisierende Gedanke, dass Annabels Urteil ein Missverständnis ist und alles gut endet, bekommt keine Chance. Krebs führt nicht zu dem Hoffen auf ein Happy End, sondern bedeutet durchfallen oder bestehen und die Gegenüberstellung der daraus folgenden Tatsachen.
Restless hält sich an eine Linie von eindrucksvollen Naheinstellungen, scharf- unscharf-Spiel und sorgfältige Bildkompositionen, die eine ästhetisch reizvolle Fotografie ergeben. Es handelt sich um eine leichte Art von Film, durch die es leider nicht möglich ist, ernst gemeinte Streite zwischen Annabel und Enoch als solche wahrzunehmen. Ergreifende Themen greifen leider nicht unter die Haut.

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