06 Februar 2012

The Artist


(FR 2011, R: Michel Hazanavicius)

The Artist 



Ilona Royce Smithkin ist eine bekannte Stil-Ikone und impressionistische Künstlerin. Die 91-Jährige wirkt wie ein bunter, extravaganter Paradiesvogel und erinnert an Hal Ashbys’ Maude. Sie ist bekannt für ihre bunte, ausgefallene Garderobe und, vor allem, für ihre einzigartigen langen roten falschen Wimpern.

George Valentin ist ein gefeierter Stummfilm-Hollywoodstar der 20er Jahre. Er geht immer aufrecht, sprudelt von Selbstüberzeugung, beherrscht den perfekten Einsatz seiner Augenbrauen und hat immer ein strahlendes Lächeln parat. Nach einer seiner ausverkauften Premieren landet Peppy, eines der vielen Mädchen, die Georges Fangemeinde bilden, zufällig auf einem Foto mit ihm und sorgt für Neugier in der Presse am nächsten Tag: „Who’s that girl?

Peppy Miller ist das Aufsehen bewusst und nutzt die Chance aus, indem sie spontan bei  Valentins Filmproduktion als Extra kandidiert. Als sie dabei eines Tages auf George trifft, bekommt sie von ihm ein aufgemaltes Muttermal, was später zu ihrem Markenzeichen wird. Nach und nach ergattert sie immer wichtigere Filmrollen. Als nach einiger Zeit Stummfilme von Talkies abgelöst werden, ergreift Peppy die Chance und schlüpft in den Aschenputtel-Schuh. Sie wird der neue Hollywoodstar.

Parallel zu Peppys Aufstieg erlebt George dagegen einen Misserfolg nach dem anderen. Nachdem er sich negativ gegenüber den neuen Talkies-Filmen positioniert und sich lieber an den alten Stummfilmen festhält, beginnt alles abwärts zu gehen: kaum jemand besucht seine Premieren und interessiert sich für seine Filme, er wird von seiner Frau verlassen und geht schliesslich Pleite. Sein Versagen wird in The Artist durch regnerisches Wetter, seine ungekämmte Strähne und schlechtes Licht dargestellt. Der darstellerische Höhepunkt  seiner Krise kommt in seinem Film „Tears of love“, wo er im Sand untergeht, von seinem eigenen Schatten verlassen wird und schließlich das „Exit“-Schild hinter ihm zu sehen ist. Parallel dazu werden seine persönlichen Objekte versteigert. Peppy ist einer der wenigen Mitmenschen, der hilfsbereit immer wieder auf George zugeht, was in ihm einen Kampf zwischen Stolz und der Bereitschaft Hilfe anzunehmen erzeugt.

Aufrechtes Gehen, wippender Gang, Hände auf den Hüften, das makellose Gesicht, die perfekt sitzende Frisur, das immer-zum-Zwinkern-bereite-Auge und viel Charisma: in The Artist zeigt Michel Hazanavicius, was die Austrahlung eines Künstler ausmacht. Der Erfolg oder Misserfolg dieser Aura hängt von der Anerkennung des Publikum ab. Berühmtheiten kommen und gehen. Ist das Alte aufgebraucht, zielt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Neue. So funktioniert Hollywood! 

Ein Markenzeichen dient dazu, sich von der großen gleichmäßigen Menge abzuheben. Das beweisen Peppys Schönheitsfleck und Ilonas rote Wimpern. Beide Künstlerinnen’ haben eine eigene Ausstrahlung, jede auf ihrer Art. Während Peppy den perfekten Filmstar in Schwarz/Weiß darstellt, fuchtelt Ilona in ihrem kleinen chaotischen Zimmer mit bunten Tüchern und redet davon, wie Farben Freunde werden können. Während George mit dreißig daran nagt, Teil des alten Plunder zu sein, blüht die drei mal so alte Ilona unter dem Motto „as we get older, we get better!“ erst recht auf.

 Sicherlich ging es Hazanavicius nicht darum, eine tiefgreifende oder originelle Geschichte zu erzählen. The Artist ist ein nostalgischer Quasi-Stummfilm über Hollywood, in dem sogar die Hässlichen schön sind. Er erinnert uns an den Reiz vergangener Filmepochen und zeigt, dass Stummfilme keineswegs langweilig sein müssen. Leider wird durch die Alt-Hollywood-Thematik auch an die damaligen Werte erinnert: Anerkennung durch fremde Urteile, Streben nach Perfektion, etc. Und wenn ich daran denke, freue ich mich um so mehr über die Tatsache, dass es noch mehr Künstler wie Ilona gibt. 

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